„Fishcare“ wird im Angelsport immer größer geschrieben. Mit „Fishcare“ ist so ziemlich alles gemeint, was dazu beiträgt, dass ein Fisch nach dem Fang so zurückgesetzt werden kann, dass er diese Prozedur mit möglichst hoher Wahrscheinlichkeit überlebt. Gesetzlich spiegelt sich diese Entwicklung zum Beispiel in Vorschriften wider, die das Benutzen von Einzelhaken vorschreiben (viele Salmonidengewässer) oder die Nutzung von Abhakmatten (Fischereiverordnung Hamburg).
“Fishcare” aktiv betreiben
Darüber hinaus gibt es aber auch noch eine Vielzahl „freiwilliger“ Maßnahmen, die das Überleben von gefangenen Fischen sicherstellen sollen. Gummierte Kescher, oder das Abrüsten von Ködern. Besonders das Abrüsten von Ködern, also das Ersetzen von Drillingen durch Einzelhaken, sorgt immer wieder für spannende Diskussionen. Wissenschaftlich wird dem Abrüsten – bei Beibehaltung des Widerhakens – eher ein sehr geringer Effekt bescheinigt, aber dazu vielleicht an anderer Stelle mal etwas mehr (Trahan et al., 2021). Aber nicht zuletzt deswegen bleiben bei mir nahezu immer Drillinge am Köder, besonders der hintere Drilling wird eigentlich nie ersetzt. Aber trotz dieser Kontroverse wird das Abrüsten besonders bei den Barschanglern, befeuert durch Foren wie Barschalarm, als eine Art heilige Kuh angesehen, deren Nutzen – von aller oberster Stelle bescheinigt – in Stein gemeißelt zu sein scheint.
Besonders spannend in diesem Zusammenhang finde ich, dass eine Diskussion, die nachweislich viel mehr zum Wohl der Fische beitragen würde, nahezu gar nicht geführt wird. Einen wirklich nachweisbaren Effekt auf die Überlebenswahrscheinlichkeit von zurückgesetzten Fischen hat nämlich die Nutzung von Schonhaken, also Haken ohne Widerhaken (Kapusta & Czarkowski, 2022; Taylor & White, 1992; Trahan et al., 2021).
In nahezu allen Studien, die vergleichend getestet haben, welche Haken (Drillinge oder Einzelhaken jeweils mit oder ohne Widerhaken) den geringsten Schaden bei Fischen anrichten, schneiden immer die Haken ohne Widerhaken deutlich besser ab. Schonhaken verringern die Zeit die benötigt wird einen Fisch abzuhaken, Schonhaken verringern das Risiko einer ernsthaften Verletzung der Fische und mit Schonhaken gefangene Fische bluten weniger häufig nach dem Fang als Fische, die mit normalen Haken gefangen wurden.
Warum werden Schonhaken immer noch so selten benutzt?
Trotz dieser sehr deutlichen Vorteile habe ich bisher viel zu selten Schonhaken im Einsatz gesehen. Mittlerweile gibt es unzählige Videoformate, bei denen man den „Profis“ zuschauen kann, wie man möglichst effektiv Fische am laufenden Band fängt. Dabei wird immer wieder betont, wie schonend doch mit den Fischen umgegangen wird. Es gibt zum Beispiel häufig eine Pflicht zur Nutzung des Keschers (wobei Studien zeigen, dass Kescher eher schädlich sind; Barthel et al., 2003), oder, wie beim Youtube Predator Cup (YPC), Strafpunkte, wenn kein Stahlvorfach genutzt wird und ein Fisch abreißt (wobei auch hier Studien zeigen, dass die Fische die Köder im Normalfall recht schnell wieder loswerden; Pullen et al., 2019).
Natürlich ist es gut darauf zu achten, dass Fische möglichst schonend behandelt werden, aber wenn es diese Einsichten in anderen Bereichen gibt, die durchaus umstritten sind, warum dann nicht beim Nutzen von Schonhaken? Wie gesagt, hier ist sich die Wissenschaft nahezu einig.
Ich sehe eigentlich nur einen Grund und der liegt in der Chance einen „guten“ (das bedeutet in Wettkämpfen meist großen) Fisch zu verlieren. Diese Angst scheint so groß zu sein, dass das Fischwohl schnell in den Hintergrund rückt. Diese Angst hat natürlich jede angelnde Person. Die Fische, die wir nicht bekommen, sind immer die größten. Und ein Fischverlust ist immer am ärgerlichsten, wenn er in einem Wettkampf passiert. Profis vor der Kamera sind ja auch immer in einer Art Bringschuld (in die sie sich übrigens selbst gebracht haben) und da schmerzt jeder verlorene Fisch doppelt.
Wie sieht es mit der Fangquote bei Schonhaken aus?
Dass Schonhaken allerdings wirklich „Fische kosten“, ist dann aber wieder durchaus umstritten. Bei Meeresfischen wurde ein deutlich negativer Effekt nachgewiesen (Alós et al., 2008; Schaeffer & Hoffman, 2002), ein leicht negativer Effekt wurde bei Forellen gezeigt (Bloom, 2013). Für Barsche – gefangen unter Eis mit der Mormyshka – konnte kein negativer Effekt festgestellt werden (Czarkowski & Kapusta, 2019), ebenso bei Cypriniden (Kapusta & Czarkowski, 2022). Aber selbst, wenn es Verluste bei den Fangzahlen geben sollte, sollte es uns das nicht im Sinne des Fischwohls wert sein? Ich denke schon, auch wenn ich selbst noch zu oft zu „normalen“ Haken greife.
Generell finde ich es sehr interessant, dass diese Diskussion noch nicht wirklich geführt wird. Man stelle sich vor, es gäbe eine Verpflichtung zum Nutzen von Schonhaken bei der nächsten Predator-Tour, oder den World Predator Classics (WPC) oder dem YPC. Das wäre wirklich ein Zeichen in Richtung Fischwohl. Da alle die gleichen negativen Effekte auf die Fangzahlen hätten, würde es im Prinzip absolut nichts am Turnier an sich ändern. Spannend, oder?
Für alle diejenigen, die gerne was Gutes für die Fische tun wollen, ohne aber auf eine sehr hohe Ausbeute bei den Bissen verzichten zu müssen, können “micro barbed” Haken eine echte Alternative sein. Bei solchen Hakentypen (es gibt verschiedene Varianten) sind die Widerhaken (oder manchmal auch nur leichte Verdickungen am Haken) so klein, dass sie zwar die Chance des Fischverlustes verringern, aber gleichzeitig nahezu kein Fleisch fassen und daher leicht und problemlos zu lösen sind. Für mich persönlich ist das allemal einen Versuch wert!
Hier findest du Angelhaken mit Micro Barbs und gänzlich ohne Widerhaken bei uns im Shop.
Autor: Dr. Martin Friedrichs-Manthey (Gewässerökologe)
Quellenangaben
Alós, J., Palmer, M., Grau, A. M., & Deudero, S. (2008). Effects of hook size and barbless hooks on hooking injury, catch per unit effort, and fish size in a mixed-species recreational fishery in the western Mediterranean Sea. ICES Journal of Marine Science, 65(6), 899-905. https://doi.org/10.1093/icesjms/fsn067
Barthel, B. L., Cooke, S. J., Suski, C. D., & Philipp, D. P. (2003). Effects of landing net mesh type on injury and mortality in a freshwater recreational fishery. Fisheries Research, 63(2), 275-282. https://doi.org/10.1016/s0165-7836(03)00059-6
Bloom, R. K. (2013). Capture Efficiency of Barbed versus Barbless Artificial Flies for Trout. North American Journal of Fisheries Management, 33(3), 493-498. https://doi.org/10.1080/02755947.2013.769920
Czarkowski, T. K., & Kapusta, A. (2019). Catch-and-release ice fishing with a mormyshka for roach (Rutilus rutilus) and European perch (Perca fluviatilis). Croatian Journal of Fisheries: Ribarstvo, 77(4), 235-242.
Kapusta, A., & Czarkowski, T. K. (2022). Influence of hook type on performance, hooking location, injury, and reflex action mortality predictors in float recreational angling for cyprinids: A case study in northeastern Poland. Fisheries Research, 254. https://doi.org/10.1016/j.fishres.2022.106390
Pullen, C. E., Arlinghaus, R., Lennox, R. J., & Cooke, S. J. (2019). Telemetry reveals the movement, fate, and lure-shedding of northern pike (Esox lucius) that break the line and escape recreational fisheries capture. Fisheries Research, 211, 176-182. https://doi.org/10.1016/j.fishres.2018.11.013
Schaeffer, J. S., & Hoffman, E. M. (2002). Performance of Barbed and Barbless Hooks in a Marine Recreational Fishery. North American Journal of Fisheries Management, 22(1), 229-235. https://doi.org/10.1577/1548-8675(2002)022<0229:POBABH>2.0.CO;2
Taylor, M. J., & White, K. R. (1992). A Meta-Analysis of Hooking Mortality of Nonanadromous Trout. North American Journal of Fisheries Management, 12(4), 760-767. https://doi.org/https://doi.org/10.1577/1548-8675(1992)012<0760:AMAOHM>2.3.CO;2 Trahan, A., Chhor, A. D., LaRochelle, L., Danylchuk, A. J., & Cooke, S. J. (2021). Influence of artificial lure hook type on hooking characteristics, handling, and injury of angled freshwater gamefish. Fisheries Research, 243, 106056. https://doi.org/https://doi.org/10.1016/j.fishres.2021.106056