Catch and Release & Entnahmefenster (Teil 2)

Catch and Release & Entnahmefenster (Teil 2)

Im ersten Teil dieser kleinen Serie habe ich kurz versucht darzulegen, warum das Mindestmaß als Management-Tool in Deutschland überhaupt entstanden ist und warum es so weit verbreitet ist. Das Mindestmaß als gesetzliche Regelung führt aber auch immer wieder dazu, dass behauptet wird, dass Catch and Release – also das Fangen und Zurücksetzen von Fischen – in Deutschland verboten sei. Dem ist eindeutig nicht so und warum das nicht so ist, habe ich im ersten Teil auch erläutert. 

Hier im zweiten Teil soll es jetzt im Detail um die ökologischen Folgen von „reinem“ Catch and Release gehen.

 „Reines“ Catch and Release – Nur kurz, damit wir alle das gleiche meinen

Reines Catch and Release kannte man bis vor ein paar Jahren eigentlich nur vom Karpfenangeln. Der Karpfen war/ist die heilige Kuh und es kam eigentlich überhaupt nicht in Frage, dass auch nur einer der gefangenen Fische für den Verzehr entnommen wurde. 

Das heißt, manche Angler sind bereits mit der Intention an ein Gewässer gefahren, unter keinen Umständen auch nur einen der gefangenen Fische zu entnehmen. Das wäre reines Catch and Release und unter diesen Voraussetzungen in Deutschland natürlich auch verboten. 

Mittlerweile ist diese Entwicklung auch bei anderen Fischarten angekommen und die Zahl der Angler, die ans Wasser fahren ohne jegliche Absicht einen Fisch zu entnehmen, wächst ständig (auch wenn es zurzeit noch die Ausnahme ist). 

Die Gründe dahinter sind recht schnell erklärt. Niemand muss mehr seinen Speiseplan durch selbst geangelten Fisch ergänzen. Angeln ist vielmehr eine Erholung und ein Ausgleich zur stressigen Arbeitswelt. Und wann sind wir am zufriedensten nach einem Angeltag? Richtig, wenn wir viele und möglichst große Fische gefangen haben (Birdsong et al., 2021). Das ist durch Studien belegt. 

Vergessen wir also mal den Kram vom „Naturerlebnis“ und „Schneider? Egal! Hauptsache ich war am Wasser.“ Es geht um viele und möglichst große Fische. Wie bekommt man also möglichst viele und große Fische in einem Gewässer? Klar, in dem man möglichst keine gefangenen Fische entnimmt. So einfach scheint die Logik. Ganz so einfach ist es aber natürlich nicht und hier kommen wir jetzt zu ein paar spannenden ökologischen Effekten von reinem Catch and Release. 

Wie gesagt, in Deutschland nicht erlaubt, aber in den Staaten wird es immer mehr zur gängigen Praxis und hier findet auch die Wissenschaft zu diesem Thema statt.

Ökologische Folgen von reinem Catch and Release

Die ökologischen Folgen von reinem Catch and Release sind interessanter Weise sehr abhängig von der jeweiligen Art (Sass & Shaw, 2020). 

Zum Beispiel für den Forellenbarsch zeigt die untenstehende Grafik aus dem Artikel von Sass & Shaw (2020), wie stark die Catch-and-Release-Rate für diese Fischart in einem Teilgebiet von Wisconsin (ungefähr so groß wie Bayern) zugenommen hat.

Ökologische Folgen von reinem Catch and Release
Ökologische Folgen von reinem Catch and Release

Abbildung 1: Zunahme der Catch-and-Release-Rate für den Forellenbarsch in Wisconsin (Ceded Territory) von 1991 bis 2011. Abbildung aus Sass & Shaw (2020)

Innerhalb von 20 Jahren ist die Catch-and-Release-Rate von 80% auf circa 95% gestiegen. Es ist sicher schwer zu sagen, wie die Zurücksetzraten für einzelne Fischarten in Deutschland zurzeit aussehen, aber ich denke, dass man vielleicht für den Barsch am ehesten von ähnlichen Werten ausgehen kann. 

Bei 80 % würden von 10 gefangenen Barschen am Tag 2 Barsche entnommen werden. Das kann ich mir zumindest als realistisch vorstellen. In jedem Fall hat sich für die Schwarzbarsche (zu denen der Forellenbarsch gehört) sehr deutlich gezeigt, dass der Anstieg an zurückgesetzten Fischen zwar zu einer Erhöhung der Fangzahlen pro AnglerIn geführt hat, allerdings die Wachstumsraten der einzelnen Tiere sich deutlich verlangsamt haben und auch die Maximalgröße der Tiere innerhalb einer Population kleiner geworden ist. Im Prinzip ist es also zu einer Verbuttung der Bestände gekommen. Sicher nicht das Ergebnis, was man sich von striktem Catch-and-Release erhoffen würde.Die nächste Abbildung zeigt die Zurücksetzrate für Musky (Esox masquinongy), also dem „amerikanischen Hecht“, beispielhaft für einen See ebenfalls in Wisconsin. Man sieht, dass bei dem Musky nahezu jeder Fisch zurückgesetzt wird und eine Entnahme eigentlich nicht stattfindet.

Wie sich diese hohen Zurücksetzraten auf die Anglerfänge auswirkt, ist etwas schwieriger zu quantifizieren. Fangbücher und Fangmeldungen zeigen, dass die reine Anzahl der gefangenen Fische in den letzten Jahren zurückgegangen ist. Gleichzeitig zeigen andere behördliche Befischungen, dass die Anzahl an Jungfischen des Musky in den Uferbereichen der Gewässer zurückgegangen ist. Beides spricht dafür, dass die Anzahl an kleineren Muskies zurückgegangen ist. Der Effekt wäre hier also, dass die Musky an sich vermutlich größer werden, bzw. es mehr größere Fische in der Population gibt. Das geht allerdings auf Kosten der Anzahl an kleineren Individuen. Etwas sehr ähnliches würde man vermutlich auch beim Hecht beobachten können. Mehr größere Fische auf Kosten der Anzahl an gefangenen Fischen. Ob das sinnvoll ist, hängt sicherlich im Wesentlichen von den Interessen der einzelnen AnglerInnen an einem entsprechenden Gewässer ab.

Wie sich diese hohen Zurücksetzraten auf die Anglerfänge auswirkt

Abbildung 1: Zunahme der Catch-and-Release-Rate für den Musky in Wisconsin (Ceded Territory) von 1985 bis 2015. Abbildung aus Sass & Shaw (2020)

Kurzes Fazit

Obwohl es zunächst sehr einfach scheint, sind die Folgen von strikten Catch and Release nicht einfach abzuschätzen und definitiv artspezifisch. Wenn das Ziel ist, dass man mehr Trophäenfische einer bestimmten Art fangen möchte, kann Catch and Release sogar kontraproduktiv sein. 

Wir können sicher davon ausgehen, dass das, was wir in den USA für Schwarzbarsche und den Musky sehen, teilweise auf Flussbarsch und Hecht übertragbar ist. Für einen Hechtangler wie mich, der lieber ein paar mehr Aktionen am Angeltag hat, als auf einen Ausnahme Fisch zu warten, wäre reines Catch and Release sicher keine gute Lösung (zumal ich gerne Fisch esse!).

Was man nicht vergessen sollte

Diese ganze Diskussion über Catch and Release ist in Deutschland ja nochmal so richtig entfacht worden, seit einige Firmen gemerkt haben, dass man mit dem Hobby Angeln gutes Geld verdienen kann. Diese Entwicklung fand in den USA schon vor etlichen Jahren statt und der Angelsport ist mittlerweile völlig durchkommerzialisiert. Interessant finde ich daher ein Zitat aus der Einleitung des Artikels, aus dem ich auch die Infos hier gezogen habe:

„Angler CR is a relatively recent socially-driven phenomenon for inland fisheries that has been promoted to conserve charismatic and previously harvested species, and to improve population size structure and trophy potential. For example, stakeholder groups such as the Bass Anglers Sportsman Society (B.A.S.S.) and Muskies, Inc. have promoted CR as a mechanism to increase trophy potential in the black basses and muskellunge. Prevalence of CR has also been commensurate with the increasing popularity and commercialization of fishing tournaments over time because tournament sponsors often require and promote CR.“ aus Sass & Shaw (2020)

Catch and Release wird oft als Interesse der AnglerInnen für Artenschutz und dem Wohlergehen und Erhalt einer bestimmten Art verkauft. Manchmal wird es noch schlimmer, wenn Catch and Release als Schutzmaßnahme für die Unterwasserwelt dargestellt wird. Beides ist leider absolut falsch und unbegründet und wir müssen uns vielmehr darüber klar werden, dass hinter derartigen Forderungen (das trifft übrigens auch teilweise für das Entnahmefenster zu) reine wirtschaftliche Interessen stehen.

Wenn Catch and Release, dann aber richtig!

Catch and Release gehört zum Anglerleben dazu, ob nun wegen Schonzeiten, Mindestmaßen oder anderen Schutzmaßnahmen, oder eben, weil jemand gerne mehr größere Fische fangen möchte. Entscheidend ist, dass zurückgesetzte Fische auch eine gute Überlebenschance haben. Darum hier kurz in Stichpunkten wesentliche Faktoren, die zu einer hohen Überlebenswahrscheinlichkeit zurückgesetzter Fische beitragen können:

  1. Umso wärmer das Wasser, umso schneller müssen die Fische zurück!
  2. Gummierte Kescher sind Pflicht (oder Handlandung bei kleinen Fischen).
  3. Widerhakenlose Haken erhöhen die Chance auf ein Überleben der Fische enorm.
  4. Die Drillzeit sollte angepasst sein, weder zu lang, noch zu kurz! Beides sieht man leider häufig  falsch in gängigen Video-Formaten.
  5. Wenn Fische bluten, ist die Überlebenswahrscheinlichkeit sehr gering.
  6. Kleine Fische einer Art und Individuen, die um die Laichzeit gefangen werden, müssen besonders schnell zurück!
  7. Jegliche raue Oberflächen (z.B. der “coole” Teppichboden auf Booten), sind sehr problematisch, wenn die Fische damit in Kontakt kommen.

Die Liste lässt sich sicherlich ergänzen. Dazu aber an anderer Stelle mehr.

Quellen

Birdsong, M, Hunt, LM, Arlinghaus, R. (2021) Recreational angler satisfaction: What drives it?. Fish and Fisheries; 22: 682– 706. https://doi.org/10.1111/faf.12545

Sass, G, & Shaw S. L. (2020) Catch-and-Release Influences on Inland Recreational Fisheries, Reviews in Fisheries Science & Aquaculture, 28:2, 211-227, DOI: 10.1080/23308249.2019.1701407